Akupunktur nach Pollmann

 

Dr. Antonius Pollmann versteht das traditionelle Lehrgebäude der Akupunktur als ein Erklärungsmodell. Begriffe wie Yin-Yang, Fünf Wandlungsphasen, Qi etc. umschreiben physiologische Prozesse. In der Analyse der Reaktionen des Organismus auf Fehlfunktionen und der Wirkung der Akupunkturpunkte hat er eine Systematik der funktionellen Medizin erkannt und 2009 in seinem Buch: Ärztliche Akupunktur – eine Systematik der Funktionellen Medizin – veröffentlicht.

 

Aufwertung der Akupunktur

 

Seine anfänglichen Bedenken, eine Akupunktur auf den Grundlagen der modernen Medizin könne diese Methode verblassen lassen, haben sich nicht bestätigt. Vielmehr wird dadurch die Akupunktur präziser und verständlicher und neue Indikationen, wie hier die Polyneuropathie, tun sich auf.

 

Reaktions- und Reizpunkte

 

Akupunkturpunkte sind Reaktions- und Reizpunkte. Sie reagieren auf Funktionsstörungen bestimmter Organe und Gewebe und können dadurch auffällig und erkennbar werden. Die Akupunkturnadel im Punkt setzt einen Reiz, der spezifisch auf die gestörte Funktion wirkt, die diesem Punkt zugeordnet ist. Der Organismus verfügt über die Fähigkeit, seine Funktionen zu steuern und zu regulieren. Er kann damit auch Fehlfunktionen kompensieren und Regenerationsprozesse initiieren. Diese Selbstregulation wird durch den Reiz im Akupunkturpunkt angeregt.

 

Systematik in der Embryogenese

 

In der Natur herrschen Naturgesetzte und gelten Ordnungsprinzipien. In der Entwicklung der befruchteten Eizelle zum Embryo bilden sich zu Beginn drei Stammgewebe, aus denen alle Organe und Gewebe hervorgehen. Aus dem Stammgewebe Entoderm entwickeln sich alle Organe, Gewebe und Drüsen, die die Aufgaben der Verdauung und des Stoffwechsels wahrnehmen. Das Mesoderm ist das Stammgewebe der Muskulatur und des Herzkreislaufsystems, deren Aufgaben Bewegung, Halt und Transport sind. Das Ektoderm bildet die Grundlage des Nerven- und Hormonsystems, welches der Informationsverarbeitung und Steuerung des Organismus dient.

 

Systematik in der Akupunktur

 

Eine entsprechende Dreigliederung der Aufgaben findet sich auch in der Akupunktur wieder. Die Akupunkturpunkte im Frontalen Umlauf haben einen Effekt auf Verdauung und Stoffwechsel – den Funktionen entodermaler Organe und Gewebe. Im Mittleren Umlauf findet sich eine Wirkung auf die glatte Muskulatur und das Herzkreislaufsystem, also auf Transport und Motorik – den mesodermalen Funktionen. Akupunkturpunkte im Dorsalen Umlauf haben einen Bezug zu Jing und Shen, der Steuerung – und damit auf die Funktion ektodermaler Prozesse. Die traditionellen Organbezeichnungen sind für das Verständnis der Akupunktur zu unpräzise. Unter Niere und Jing sind die Funktionen der Genetik und Epigenetik zu verstehen. Und Herz und Shen beinhalten die Funktionen des Nervensystems.

 

Funktionsstörung zum Dorsalen Umlauf

 

Aufgrund dieser Systematik kam die Überlegung, die Polyneuropathie über die Akupunkturpunkte des Dorsalen Umlaufs zu behandeln. Die Akupunktur regt den Organismus an, gezielt Funktionsstörungen zu kompensieren und Regenerationsprozesse zu initiieren, deshalb spielt die Ursache der Polyneuropathie eine sekundäre Rolle. Soweit der Organismus fähig ist zu regulieren und kompensieren, hat die Akupunktur Erfolg. Da das üblich Cun-Maß (Daumen-Maß) zu ungenau ist, müssen die entsprechenden Akupunkturpunkte exakt nach anatomisch-topographischen Strukturen aufgesucht werden.